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22. Jun. 2021
Autor(in): Master School Drehbuch

PROF. JOACHIM FRIEDMANN

Joachim Friedmann arbeitete zunächst als Comicautor (Carlsen Comics, „Donald Duck“), ehe er 52 Folgen für die LINDENSTRASSE schrieb. Er war Drehbuchautor für zahlreiche Serien wie DIE CAMPER, DER LETZTE BULLE, IN ALLER FREUNDSCHAFT und GZSZ. Derzeit arbeitet er als Headautor für DAHOAM IS DAHOAM. Joachim Friedmann schreibt außerdem Computer- und Online-Spiele und verfasste zwei Sachbücher über Dramaturgie: Seine Dissertation Transmediales Erzählen und sein Lehrbuch Storytelling. 2017 wurde er zum Professor für den Masterstudiengang Serial Storytelling an der ifs in Köln berufen. An der MSD unterrichtet er seit 2017 Daily Soap & Telenovela im Rahmen der Ausbildung zum/r Autor:in für Film & TV.

Du bist seit fast 25 Jahren mit Dailys und Weeklys befasst. Was begeistert Dich an diesen Formaten? 

Die Möglichkeit -für Autor*innen wie Zuschauer*innen- für lange Zeit in ein potentiell unendliches Erzähluniversum einzutauchen. Das erzeugt eine tiefere emotionale Bindung an die Figuren und die Storyworld als bei einem Feature-Film oder einer Miniserie. Längere Erzählbögen erlauben, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu verhandeln. Der Nachteil kann natürlich sein, dass man durch die enge Produktionstaktung versäumt, wirklich in die Tiefe zu gehen. Aber wenn es gelingt, können wirklich einzigartige Bögen entstehen – wie zum Beispiel die Geschichte einer Bulimieerkrankung, die wir mit einer Figur bei GZSZ über drei Jahre erzählt haben. 

Was haben TV-Serien mit Comics und Games gemeinsam? 

Erst mal nur die Möglichkeit zu erzählen. Aber gerade Comics entwickeln sich immer mehr zu einer Inspiration für audiovisuelles Erzählen, wie man an den vielen Adaptionen von Comicserien auf den Streaming-Plattformen und dem Erfolg des Marvel Cinematic Universe sieht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Comics über lange Jahre sehr viel innovativer erzählt haben als Fernsehserien. Aber das TV holt auf, das ist auch klar.

Wie hat sich das Erzählen – nicht nur für Serien – in den letzten Jahren verändert?

Es gibt mehr Raum für Experimente und mehr Bedürfnis nach neuen Erzählformen und Themen. Das Erzählen wird diverser, auch außerhalb des Arthouse. Das fällt zusammen mit dem Bedürfnis, gesellschaftlich bislang marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben, neue Formen von Repräsentanz zu schaffen. Aber das ist nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine kreative Chance, weil auf einmal ganz andere Themen, Milieus und  Figuren gezeigt werden können, die man vorher noch nie auf dem Bildschirm gesehen hat.. Das ist ein Glücksfall für alle Kreativen – und erst recht für die Zuschauer*innen.

Du arbeitest als Headautor oft mit anderen zusammen. Wie kann gemeinsame Stoffentwicklung, wie kann ein Writers’ Room gelingen?

Für mich ist der Writersroom eine Chance, gemeinsam auf Augenhöhe viele unterschiedliche Perspektiven auf eine Geschichte zu entwickeln. Natürlich müssen solche kreativen Prozesse gestaltet werden, eine Serie hat immer bestimmte Regeln und einen thematischen Kern, aber ich definiere meine Rolle als Headautor eher als lenkend denn als bestimmend. Das erfordert von allen Beteiligten Respekt und Disziplin. Wenn das gegeben ist, kann der Writersroom eine der schönsten kreativen Erfahrungen sein, die man machen kann.

Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft? 

Dass der Mainstream anspruchsvoller und relevanter wird. Und das Arthouse mainstreamtauglicher – man könnte auch sagen, demokratischer und dem Publikum zugewandter. Aber da sind wir derzeit auf dem besten Weg.

Hast Du einen ultimativen Tipp für Newcomer zum Einstieg in die Branche? 

Ich arbeite seit fast 30 Jahren als professioneller Autor. Noch nie war die Chance für Neueinsteiger so groß, in der Branche Fuß zu fassen und interessante Projekte zu verwirklich. Talent ist gesucht, Mut wird belohnt, Handwerk gebraucht.

 

MAGDALENA FRAU

Magdalena Frau studierte Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Film in Lüneburg. Sie arbeitete viele Jahre als Filmeinkäuferin und Redakteurin im Magazin-Bereich. Sie ist der MSD eng verbunden. Bereits von 2003 bis 2005 war sie bei Oliver Schütte Projektleiterin für Stoffentwicklungsprogramme. 2019 besuchte sie unsere Weiterbildung zur Dramaturg:in & Lektor:in. Seitdem ist sie Producerin bei Producers at Work Film. Sie verantwortet dort zurzeit die Reihe NÄCHSTE AUSFAHRT GLÜCK (ZDF) und die Serie WIR SIND JETZT (RTLZWEI). Seit einigen Jahren engagiert sie sich bei WIFT Germany (Women in Film and Television) und ist seit 2020 Mitglied des Vorstands.

Du hast viele Jahre als Filmjournalistin berichtet und Filmschaffende interviewt. Vor zwei Jahren bist Du dann selbst unter die Macher:innen gegangen. Was bedeutete dieser Wechsel für Dich?

Endlich kann ich das machen, was ich schon während meines Studiums machen wollte. Ich empfinde es als großes Glück, dass ich beruflich dem Film immer „treu“ sein konnte, wenn ich auch eher andere Facetten der Filmindustrie bedient habe. Die vielen Begegnungen mit Regisseur*Innen und Schauspieler*Innen, die leidenschaftlich von ihrer Arbeit berichtet haben, waren oft inspirierend. Jetzt auf der kreativen Seite zu stehen und einen Film von der Idee über die Entwicklung bis zur Aufführung zu begleiten, macht mich stolz und glücklich.

Gibt es eine erste Frage, mit der Du an einen Filmstoff oder ein Serienkonzept herantrittst?

Was oder wer berührt mich? Aber auch: Welche Perspektive interessiert mich? Wer eröffnet mir eine neue Welt? Lerne, erfahre ich neue Dinge? Warum will ich das lesen? Will ich das wirklich sehen? Wer ist die Zielgruppe?

Worauf kommt es Dir bei der Zusammenarbeit mit Autor:innen vor allem an? 

Kreativität ist so individuell und ich habe großen Respekt vor der Arbeit jeder Autor*In. Ohne Drehbuch und die disziplinierte Arbeit der Autor*Innen, die sich immer wieder den verschiedenen Fassungen widmen, die unterschiedlichsten Anmerkungen vom Produzent*Innen, vom Sender und der Regie einarbeiten - gäbe es nicht diese vielen Filme. Jede Kritik, jeder Impuls löst etwas aus.

Was planst Du zurzeit?

Mitte August starten die Dreharbeiten für zwei weitere Folgen unserer ZDF- Reihe „Nächste Ausfahrt Glück“. Die ersten Exposés weiterer Folgen der Reihe werden schon geschrieben, denn wir hoffen, dass es weitergeht. Außerdem entwickeln wir aktuell eine wunderbare Kinder- und Jugendserie für den Kika. Nicht zu vergessen: meine analogen und digitalen Bücherstapel: Lesen, lesen, lesen - immer auf der Suche nach einem einzigartigen Stoff, den wir verfilmen wollen. Ein ganz anderes Highlight steht beim Münchner Filmfest an: Die Weltpremiere der dritten Staffel „Wir sind jetzt“. Unsere preisgekrönte Serie (Bayerischer Fernsehpreis Regie 2020) mit einem Live Event dem Publikum zu präsentieren, ist nach diesem schwierigen Jahr eine besondere Freude.

Du kennst die MSD seit fast 20 Jahren. Wie siehst Du die Schule früher und heute?

Als ich bei Oliver Schütte mein erstes Drehbuchseminar besucht habe, hätte ich niemals gedacht, wie nachhaltig diese Begegnung sein würde. Übrigens war es auch Oliver, der mir den wichtigen Impuls gab, wieder Richtung Fiction zu gehen, als ich beruflich voller Fragezeichen war. Während meiner Ausbildung zur Dramaturgin habe ich die MSD neu kennengelernt. Ein Melting Pot Filmschaffender, Künstler und wissbegieriger Kreativer, im ständigen Austausch mit der Branche. Die Ausbildung mit den unterschiedlichen Dozent*Innen ist ein wertvoller Mosaikstein für meine berufliche Entwicklung. Einzigartig sind auch die vielfältigen Angebote wie Indiefilmtalk und die persönlichen Begegnungen, die die MSD-Familie so außergewöhnlich machen. 

Hast Du einen ultimativen Tipp für Newcomer zum Einstieg in die Branche?

Netzwerken, neugierig sein und viele Filme schauen. Am besten im Kino und mitten in der Zielgruppe, um die Wucht und Magie der Leinwand körperlich zu spüren. Unterhaltung und Anspruch sind übrigens kein Widerspruch. Und, aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig das manchmal ist: Wer schreiben will, muss schreiben.

 

 



Quelle: http://www.masterschool.de/unternehmen/interviews/2021-06-22/dozentinnen-und-absolventinnen-stellen-sich-vor
 
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