Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

CORNELIA DEIL

Cornelia Deil arbeitete nach dem Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft zunächst als Theaterdramaturgin. Seit 1995 schreibt sie Drehbücher oder war Headautorin für unzählbar viele TV-Serien (UNTER UNS, MARIENHOF, SOPHIE-Braut wider Willen, ROTE ROSEN, DIE JUNGEN ÄRZTE, BLUTIGE ANFÄNGER um nur einige zu nennen).
An der MSD unterrichtet sie in der Ausbildung zum Autor/in für Film & TV Daily Soap & Telenovela und leitet 2021 erstmals eine Stoffentwicklungsgruppe. Cornelia Deil…hält TV-Serien für ‚gefährlich‘ - durch ihr hohes Suchtpotential!

Du bist seit mehr als 25 Jahren im Daily- und TV-Seriengeschäft. Was begeistert Dich an diesen Formaten? 

Mich begeistert, dass Dailies sich über die Jahre immer wieder neu aufgestellt, verbessert und emanzipiert haben. Dass die Figuren den Zuschauer über einen langen Zeitraum begleiten, Teil seines Alltags werden und ihn mit aktuellen Themen konfrontieren. Dass diese Themen Denkanstoß sein und – der Fanpost nach zu urteilen - zum Teil sogar Lebenshilfe sein können. Dass Dailies und Serien ein breites Genre-Spektrum vereinen, und sie dynamisch und abwechslungsreich sind. Dass es das Einfache ist, das schwer zu machen ist.

Hat sich das Erzählen für Vorabendserien in den letzten Jahren verändert?

Wie in den anderen Formaten hat sich – neben der Technik – die Erzählweise natürlich auch im Vorabend kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei werden gar nicht unbedingt andere Inhalte erzählt. Der Fokus liegt inzwischen mehr auf der Figuren-Entwicklung und Konstellation und hat sich der gesellschaftlichen Veränderung angepasst. Weg von Stereotypen werden Figuren ihrem Charakter entsprechend vielschichtiger erzählt, werden lebendiger und erfüllen nicht nur ihre dramatische Funktion.

Du arbeitest zumeist mit Teams zusammen. Wie kann gemeinsame Stoffentwicklung, wie kann ein Writers’ Room gelingen?

Zunächst durch Phantasie und Handwerk, Respekt voreinander, konstruktive Kritik und Spaß, Spaß und nochmals Spaß!
Ich begrüße die Debatte und den Wunsch nach mehr Diversität in den Geschichten. Folgerichtig sollte dasselbe Votum gleichzeitig aber auch für das Autorenteam gelten. Jeder Autor bringt seine ganz persönliche Erfahrung, seinen kulturellen Hintergrund und Selbstverständnis mit ins Team. Das sollte eben nicht nur Mainstream bezüglich Alter, Herkunft und Diverstität repräsentieren. Nur so kann, meiner Meinung nach, auch das Ergebnis glaubwürdig,  komplex und emotional sein.

Welche neuen Serien braucht die Welt?

Die Welt braucht Serien, bei denen nicht lediglich die Quote, sondern Qualität diskutiert wird. Serien, denen genügend Vorbereitungszeit gegeben wird, um Inhalte zu kreieren, die die Vielfältigkeit der Gesellschaft abbilden, Minderheiten eine Stimme geben und Horizonte erweitern: Aktuell oder historisch, aber vor allem divers, kontrovers.

Wir freuen uns, dass Du als Dozentin seit nunmehr einem Jahr auch an der MSD unterrichtest. Was zeichnet einen guten Drehbuchkurs aus?

Vermutlich wenn die Teilnehmer am Ende Blut geleckt haben und für den Beruf brennen… Ein guter Drehbuchkurs sollte den Teilnehmern Handwerk vermitteln und ihnen zeigen, wie sie ihre Kreativität zielgerichtet einsetzen können. Sie sollten die Erfahrung machen, dass es immer um die Sache geht – nämlich die beste Geschichte zu erzählen – und nicht um Befindlichkeiten. Am Ende eines guten Drehbuchkurses sollten die Teilnehmer eine aufregende Reise erlebt haben und sich die Frage beantworten können, ob sie den Beruf des Autors tatsächlich ergreifen wollen.

Hast Du einen ultimativen Tipp für alle Newcomer zum Einstieg in die Branche?

Gerade für angehende Autoren bilden die täglichen Serien eine ideale Spielwiese, um sich auszuprobieren und zu wachsen und bieten die Möglichkeit, im Team zu arbeiten. In keinem anderen Format kann ein Autor seine Arbeit so schnell on Screen sehen und überprüfen. Mein Tipp: Bewerbt euch, springt ins kalte Wasser, versucht, in einem Team so viel Praxis wie möglich zu bekommen. Recherchiert gründlich und schreibt nur über das, wovon ihr Ahnung habt. Liebt eure Figuren und hört auf das, was sie euch sagen. Seid offen für Kritik und Anregung der Kollegen. Habt Spaß und liebt das, was ihr tut.

 

TANJA STEINLECHNER

Tanja Steinlechner studierte an der Universität Hildesheim Kreatives Schreiben bei Hanns Josef Ortheil. 2012 war sie Teilnehmerin der Ausbildung zum Autor/in für Film & TV an der MSD. 2013 gründete sie mit dem Schreibhain eine eigene Schule für Belletristik-Autor/innen. Sie ist Autorin von Romanen und Erzählungen. Am 28. Mai 2021 erscheint ihr neues Buch DIE TÄNZERIN VOM MOULIN ROUGE. Tanja Steinlechner lebt und schreibt in Berlin. Seit Urzeiten schon liebt sie Georgette Dee-Konzerte, von denen sie kaum je eine Premiere verpasst und den Sog von Haruki-Murakamis erzählerischer Kraft. 

Du hast an der Master School Drehbuch einen Filmstoff entwickelt, angelehnt an die Geschichte der Stella Goldschlag, der auf große Resonanz gestoßen ist. Warum hast Du Dich danach wieder der Belletristik zugewandt?

Stellas Geschichte interessiert mich auch heute noch brennend. Einige Zeit später erschien Takis Würgers Roman „Stella“. Auch wenn sich unsere Ansätze, den Stoff erzählerisch umzusetzen, stark unterscheiden, so zeigt sich an diesem Beispiel doch eines recht deutlich: Um einen Roman zu veröffentlichen, spielt es keine Rolle, ob das Setting (hier z.B. das brennende Berlin) nur unter hohen Kosten zu realisieren ist.
Und wenn es gut läuft, nimmt sich eine Drehbuchautor*in vielleicht in Zukunft einmal einem meiner Romane an und verwandelt sie in filmisches Material.  

Wie unterscheidet sich das Schreiben für audiovisuelle Formate vom Schreiben eines Romans?

Das Romanschreiben hat für mich Vorzüge: Zum Beispiel die Möglichkeit episch breit und ohne die Übersetzungsleistung mittels eines Schauspielers oder musikalischer Untermalung die Innenwelt der handelnden Figuren erlebbar zu machen. Als Romanautorin übernehme ich all diese und noch mehr Aufgaben quasi in einer Person. Dies gibt mir eine große künstlerische Freiheit. Der Film ist mehr noch als das Buch eine Gemeinschaftsarbeit. Romanautor*innen sind in besonderer Weise auf sich zurückgeworfen. Das war einer der Gründe, weshalb ich die Autorenschule Schreibhain 2013 gegründet habe. Neue Stimmen bekommen hier nicht nur handwerkliches Rüstzeug, sondern auch die Möglichkeit, sich in einer vertrauensvollen Umgebung miteinander auszutauschen und mit Kritik am eigenen Werk umzugehen.

Haben sich die Erwartungen an Literatur in den letzten Jahren verändert?

Derzeit beobachte ich ein großes Interesse an autofiktionalen Stoffen in der Literatur und an Sagas und Familiengeschichten in der Unterhaltung. Vielleicht steckt hinter Ersterem der Gedanke, dass sich nicht nur die Stoffe verkaufen, sondern sich im Zusammenspiel mit deren Autor*innen immer auch eine zweite Geschichte im Kopf der Leser*innen entspinnt. Es wird heute sicher im größeren Umfang erwartet, dass sich Schriftsteller*innen auch präsentieren können. Hinter all dem, glaube ich aber immer noch fest daran: Eine gut erzählte Geschichte ist eine gute erzählte Geschichte. Und nur der bleibt in Erinnerung, der etwas zu erzählen hat, dessen literarischer Kosmos an Traditionen anknüpft, sie fortführt oder eben bewusst mit ihnen bricht, kurz wem es gelingt, einen Widerhall in seiner Leserschaft zu erzeugen.

Was hat Dir die Ausbildung an der Master School Drehbuch für Deine heutige Tätigkeit gebracht?

Sehr viel zusätzliches handwerkliches Wissen, insbesondere über Dramaturgie, einen breiten Erfahrungsschatz der hochqualifizierten Dozent*innen an deren Wissen ich partizipieren durfte, erste Branchenkontakte, ein, teils noch heute bestehendes, Netzwerk von anderen Autor*innen und last, but not least, eine großartige und erinnerungswürdige Zeit.

Hast Du einen ultimativen Tipp für alle Newcomer, die in den Literatur-Betrieb einsteigen möchten?

Vielleicht keinen ultimativen: Das Schreiben erfordert Hingabe, es ist wesentlich mehr als ein Beruf, vielmehr eine Art, auf die Welt zu schauen. Schreibt ohne Unterlass. Verwerft es wieder. Schreibt weiter. Vergesst nicht zu lesen. Sucht euch vertrauenswürdige und ehrliche Feedbackgeber. Profis oder ein Netzwerk aus Autor*innen. Macht euch verletzlich, das gehört auch dazu. Ich verspreche, es lohnt sich. Nichts ist mit dem Gefühl zu vergleichen, seinen Roman in die Welt zu bringen.

Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft?

Ich wünsche mir wieder Buchmessen, Lesungen, und Feste. Im Schreibhain haben wir immer zu feiern verstanden. Ich wünsche mir Austausch, Café- und Nebenbeigespräche im realen Raum.
Was das eigene Schreiben betrifft, soll es künftig einen noch größeren Raum in meinem Leben einnehmen. Ich wünsche mir, dass Die Tänzerin vom Moulin Rouge die Herzen meiner Leser*innen berührt und ihnen ein Erlebnis schenkt, dass wir dieser Tage alle so schmerzlich vermissen: jenes Gefühl von Aufbruch und der ganz großen Freiheit.