Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

Angesichts unseres 25jährigen Jubiläums finden Sie nun zwei weitere Interviews in der neuen Rubrik Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor. Das sind diesmal: Roland Zag und Gisela Wehrl.

 

ROLAND ZAG

Roland Zag studierte Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Philosophie. Zunächst arbeitete er als freier Autor, Regisseur und Produzent für Dokumentarfilme. Ab 2001 entwickelte er den dramaturgischen Ansatz the human factor und ist seitdem als Drehbuchlehrer und -berater tätig. Er arbeitete an Projekten wie DIE FREMDE, ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK, DER FALL COLLINI u.v.a.
In seinem neuesten Buch Dimensionen filmischen Erzählens (Herder-Verlag 2018) nimmt er Stellung zu brandaktuellen dramaturgischen Fragen.

Wann und woran hast Du 2001 gemerkt, dass Du vor allem als Drehbuchberater und Dramaturg arbeiten willst? 

Das war ein langer Prozess, der eng mit einer beruflichen Krise verbunden war. Ich fühlte mich zwar dem filmischen Erzählen innerlich eng verbunden, aber äußerlich total isoliert – ich spürte die Macht des Faktors ‚Zugehörigkeit’. Aus der methodischen Beschäftigung mit den Kräften, die Menschen zusammenhalten, und die auch die Beziehung zwischen Film und Zuschauer erklärt, entstand der Gedanke zum ‚Human Factor’.  Und die Idee, vor diesem Hintergrund beratend tätig zu werden.

Hat sich das Erzählen seitdem grundlegend verändert?

Die immense Macht des Erzählens an sich ist vermutlich während der Menschheitsgeschichte immer gleich geblieben. Aber die Digitalisierung – die jetzt in der Coronazeit eine neue Blüte erlebt – hat grundsätzlich das Erleben, das Selbstbild der Menschen und damit natürlich auch das Erzählen ganz massiv verändert. Dem bin ich auf der Spur.

Mit welchem systemischen Problem siehst Du Dich bei Deiner Arbeit als Berater oft konfrontiert?

Die Probleme sind immer wieder neu, und eigentlich sind es gar keine Probleme, sondern Prozesse der Kommunikation, die gottseidank immer wieder völlig anders verlaufen.

Was macht Dir an Deiner Arbeit am meisten Freude?

Der Umgang mit immer neuen Menschen (aber auch solchen, die ich lange kenne), und eben die Beobachtung dass nichts gleichbleibt: Einerseits bin ich verliebt in ‚Prinzipien’, und andererseits überrascht mich immer wieder die Beobachtung, dass nichts so kommt, wie man denkt.

Wenn Du unterrichtest: Haben Deine Seminare ein Ziel?

Ich bin froh, wenn meine Seminarteilnehmer mit dem Gefühl nach Hause gehen (obwohl – heutzutage sitzen sie ja schon zuhause am Bildschirm...), dass viel mehr möglich ist, als die klassischen ‚Regeln’ und Konventionen zu erlauben scheinen. Ich wäre froh, die Teilnehmer*innen hätten Lust, sich sofort neu an die Arbeit zu machen.

Was verbindest Du mit der Master School Drehbuch?

Eine inzwischen über zehnjährige Erfahrung als Dozent an den verschiedensten Orten in Berlin, an die ich mich sehr gern erinnere1; jetzt kommt die digitale Verbindung neu dazu! Ich werde während des Seminars ganz entspannt bei mir in Oberbayern sitzen. Einerseits toll und andererseits sehr schade.
Und dann natürlich die enge Verbindung mit Eva-Maria Fahmüller, auch jenseits der gemeinsamen Arbeit für den Dramaturgenverband VeDRA: eine der ganz wenigen Konstanten im sonst so volatilen Business und insofern besonders wertvoll.

Was würdest Du Neu- und Quereinsteigern aktuell für den Einstieg in die Branche raten?

Ein stimmiges Drehbuch ist nur ein Teil des Erfolgs. Ebenso wichtig sind professionelles Selbstmanagement (Umgang mit Zeit, mit Kollegen, mit Krisen) sowie Branchenkenntnis: Man muss die Strukturen und die Player kennenlernen. Das lässt sich in Seminaren nur sehr bedingt lernen. Deshalb lautet die Antwort eigentlich: Geduld, noch mehr Geduld... und noch viel mehr Geduld! Aber mit Zuversicht.

1Die Master School Drehbuch ist in ihren 25 Jahren mehrfach innerhalb Berlins umgezogen. Vor sieben Jahren sind wir in Kreuzberg in der Zossener Straße 41 heimisch geworden.

 

GISELA WEHRL

Gisela Wehrl arbeitet seit 20 Jahren im Filmbereich. Zunächst als Journalistin, als Produzentin und im Verleih und Vertrieb von Dokumentarfilmen. 2010 absolvierte sie die Ausbildung zu/r Autor/in für Film & TV. Sie berät bei der Stoffauswahl und hat als Dramaturgin mehrere preisgekrönte Kinofilme wie HERBERT (2016) oder PASSED BY CENSOR (2019) begleitet.
Als Autorin arbeitet sie aktuell an zwei Spielfilmen, PRINZESSIN (AT) gemeinsam mit Josephine Frydetzki und IN UNTERZAHL (AT) gemeinsam mit Nadine Gottmann.

Du hast zunächst Kulturwissenschaften studiert. Wie bist Du dann in die Stoffentwicklung gekommen?

Eigentlich wollte ich schon immer Filme machen und erzählen. Kulturwissenschaften bieten dafür eine tolle Grundlage. Kultur ist wohl die größte gemeinschaftliche Erzählung überhaupt. Welche Narrationsstrategien wirken in Gesellschaften oder Nationen hinein? Welche Bedeutungen messen wir bestimmten Phänomenen bei? Und schon während des Studiums habe ich einen Kinodokumentarfilm produziert und verliehen. Und danach habe ich mich immer mehr mit dem Erzählen beschäftigt.

Welche Trends erkennst Du im zeitgemäßen Erzählen?

Ich finde es heikel Trends zu benennen, weil Geschichten immer dann am kraftvollsten und bewegendsten sind, wenn Autor:innen und Regisseur:innen ihren eigenen Visionen folgen. Da freut mich umso mehr, dass wir mehr und mehr Diversität sehen dürfen, bei den Stoffen und Figuren und besonders auch bei den Autor:innen. Und das würde ich mir noch viel mehr wünschen, denn wir brauchen diese Stimmen ganz dringend, wie aktuell in dem Roman „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel, eine Meisterin im Erzählen.

Was würdest Du an der Filmbranche gerne verändern?

Mehr Mut für ungewöhnliches Erzählen und auch schnellere Entscheidungsprozesse, bis man endlich richtig loslegen kann! Und dann mehr Zeit und Geld für die Stoffentwicklung. Gerade weil Film eine so teure Kunst ist, wird da meiner Meinung nach am falschen Ende gespart.

Was macht Dir an Deiner Arbeit am meisten Freude?

Neue Welten erschaffen und in sie einzutauchen. Und der Nerd-Anteil in mir guckt akribisch, dass diese in sich kohärent bleiben. Als Dramaturgin gefällt mir zudem, dass ich Projekte von den ersten Ideen über Jahre begleite.

Du arbeitest als Dramaturgin und Autorin. Was ist für Dich der zentrale Unterschied?

Als Dramaturgin fühle ich mich wie eine Hebamme: Ich helfe mit, dass die Autor:innen, aber auch die Produzent:innen ihre Visionen entwickeln können, doch die Durchführung liegt bei den Autor:innen. Und darin sind dann die Mühen der Ebene versteckt. Beim Schreiben hingegen, ist es der Prozess des Schaffens, der so toll ist.

Du kanntest die Filmbranche bereits vor der Ausbildung an der Master School Drehbuch. Was hast Du dort dazu gelernt?

Der Input war toll und die Zusammenarbeit mit meinen Kolleg:innen dort. Als ich als Kind zum ersten Mal erfahren habe, dass Menschen zusammen Bücher oder Filme schreiben, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Auch später habe ich das nur theoretisch verstanden. Bei der Master School habe ich erstmals ein richtiges Gefühl dafür bekommen.

Was würdest Du den Teilnehmern der laufenden Ausbildung zum/r Autor/in für Film & TV raten, um in der Branche Fuß zu fassen?

Kennt den Markt und wie er funktioniert, also auch, wie viel Geld den Betreibenden pro Kinokarte bleibt und wie viele Filme im Jahr starten. Und kennt Euch selbst und Eure Stoffe. Was ist für Euch das Herz Eurer Geschichte? Wenn alles gut läuft, dann findet Ihr Partner:innen, die diese gemeinsam mit Euch umsetzen wollen. Und von denen kommen dann viele tolle Vorschläge – und auch mal weniger tolle. Wenn Ihr wisst, was das Herz der Geschichte ausmacht, dann könnt Ihr flexibel sein UND Euch treu bleiben.