Dozent:innen und Absolvent:innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

Ruth Olshan wuchs in Israel und Berlin auf. Nach einer Ausbildung zur Verlagskauffrau studierte sie Theater- und Filmwissenschaft an der FU Berlin, Regie an der National Film and Television School in Leeds sowie Audiovisuelle Medien an der KHM Köln. Inzwischen ist sie Roman- und Drehbuchautorin (AUFBRUCH IN DIE FREIHEIT 2019), aber auch Filmemacherin von Spiel- und Dokumentarfilmen (HIMBEEREN MIT SENF 2021, WOLFSWINKEL 2023). Seit 2018 arbeitet sie als Professorin für Regie an der ifs Köln und betätigt sich darüber hinaus als Coach und Beraterin bei Filmprojekten. An der MSD gibt sie im September erstmals das Seminar Firlefanz und Fantasie – Kreatives Schreiben für Drehbuch und Film.

Du bist in vielen Formaten aktiv. Wann und wie entscheidest Du, ob eine Geschichte von Dir ein Roman, ein Spielfilm oder ein Dokumentarfilm wird?
Sehr oft fange ich einfach mit dem Schreiben an und versuche zu verstehen, ob die Geschichte, die Figuren oder auch das Sujet besser als Dokumentar- oder Spielfilm oder als literarisches Werk erzählt werden wollen. Der Roman hat immer die Lizenz für 600 Elefanten, bietet eine große erzählerische Freiheit. Auch vermisse ich beim Schreiben für Film oft das Spiel mit Sprache und Rhythmus. Manchmal wiederum ergibt es sich von selbst. Dann findet die Idee ganz alleine ihre Form und ich folge ihr beim Schreiben. 

„Firlefanz und Fantasie“ klingt eher nach Spaß als nach Arbeit. Wofür braucht es ein solches Seminar?
Eine Übersetzung des Wortes „Firlefanz“ ist „Unsinn“. Wenn wir Unsinn machen, spielen wir ohne Ziel, ohne Ergebnisorientierung. Fantasie lebt auf in freien Denk- und Gefühlsräumen. Und jede Geschichte braucht anfangs die absolute Freiheit des Spiels, damit sich das Schönste und Wahrhaftigste entwickeln kann. Schreiben darf auch Spaß machen. Spaß an der Tätigkeit hilft uns in einen kreativen Fluss zu kommen. Dann erfüllt uns das Schreiben und schenkt Freude und Zufriedenheit. 
Die meisten Personen, die in meine Seminare kommen, bewegt etwas. Im Seminar wird ein Prozess des Suchens und Findens unterstützt. Parallel dazu oder auch nach der spielerischen Annäherung brauchen wir eine Form, denn das Erzählen von Geschichten unterliegt dramaturgischen Gesetzen, die benutzt oder gebrochen werden können, aber dieses handwerkliche Können ist neben unserer Fantasie der zweite Aspekt, den wir in den Seminaren erlernen. 

Was ist für Dich bei der Beratung und Begleitung von Autor:innen das Wichtigste?
Als Lehrende und als Schreibende ist für mich das Wichtigste, dass die Autor:innen während eines Seminars ihre eigene Stimme und ihre Geschichte finden.Übungen zu den folgenden drei Aspekten des kreativen Schreibens biete ich gleichberechtigt an: 1. Der sichere und freie kreative Raum. 2. Handwerk: Dramaturgie- und Figurenmodelle und unterschiedliche Aspekte des Schreibens (z.B. sinnliches oder räumliches Schreiben). 3. Die eigene Stimme finden oder auch: Wie ticke ich als kreative Person.

Hat sich die Dramaturgie in den letzten Jahren verändert?
Welche Erzählformen von den Entscheider:innen der Sender und Streamingdienste gefragt sind, ändert sich alle paar Jahre. Wir Autor:innen beobachten das, gehen manchmal mit, aber immer sind wir gefordert mitzugestalten. Senderwünsche hinken immer hinterher, meiner Meinung nach, es lohnt sich dennoch neue filmisch-dramaturgische Erzählungen anzubieten. Natürlich werden wir uns weiterhin damit beschäftigen müssen, wie wir die KI bestmöglich für unser dramatisches Erzählen nutzen. Sie ist in der Welt, verändert unsere Arbeit, aber die KI lernt von unseren Texten, was momentan noch ein Problem ist, da sie aus Quellen lernt, die von einem bestimmten Weltbild und erzählerischen Traditionen geprägt sind. Die Themen Demokratie, Diversität und Gleichstellung werden uns Autor:innen weiterhin begleiten - und das ist gut so. Ich bin davon überzeugt, dass wir Autor:innen eine Verantwortung für unsere Gesellschaft haben. Mir macht das Mut und treibt mich immer wieder an. Ich hoffe, dass ich das in meinen Seminaren vermitteln kann.

Kennst Du einen ultimativen Tipp für Newcomer zum Einstieg in die Branche?
Tatsächlich Firlefanz, also Unsinn treiben. Niemand will Unsinn reden oder unsinnig sein, weil unsere Welt nach Logik und Sinn fragt, aber weder Ideen noch Fantasie unterliegen sinnigen Gesetzen. Sie sind einfach da, plötzlich tauchen sie vor uns und in uns auf. Je besser wir wissen, was wir erzählen wollen, umso besser versteht uns das Gegenüber, dem wir unseren Text, unsere Idee verkaufen wollen. Ein Drehbuch ist ein sprachliches und dramaturgisches Kunstwerk und ein Arbeitsinstrument zugleich. Das macht es zu einem speziellen Werk. Und dann natürlich: Schreiben und schreiben und schreiben. Schreiben ist ein Muskel. Man kann das Schreiben trainieren. Also lautet der Tipp: Mutig voranschreiten mit seinen eigenen Ideen und sich von Absagen nicht den Spaß und den Optimismus nehmen lassen. 

Was wünschst Du Dir selbst für Deine berufliche Zukunft?
Mehr Mut für neue Erzählformen im deutschen Fernsehen, vor allem im Bereich Kinderfilm, weil ich gerne für Kinder Filme und Literatur schreibe und inszeniere. Ich wünsche mir weniger gläserne Decken für Frauen und Generationengerechtigkeit in alle Richtungen. Die ältere Generation hat für die erzählerische Vielfalt gearbeitet und hat immer noch einiges zu erzählen. Die jüngere Generation will ihre Themen umgesetzt sehen. Die Kinder brauchen eine Lobby für ihre Geschichten und Filme. Aber vor allem wünsche ich mir einfach mehr Risikobereitschaft bei den Vertreter:innen der Sender und weniger Schielen auf eine Quote.

 

Mascha Schlubach studierte literarisches Schreiben, Kunstgeschichte und Germanistik in Köln. Im Anschluss arbeitete sie als Producer Assistenz für Calypso Entertainment und als Redakteurin für Hyperbole. Nebenbei veröffentlichte sie mehrere Kurzgeschichten. Nach ihrer Ausbildung zum/r Autor:in für Film & TV war sie Mitglied im Writers‘ Room von IN ALLER FREUNDSCHAFT – DIE JUNGEN ÄRZTE, wie auch bei der Dramedy CLUB DER DINOSAURIER. Sie schreibt aktuell an zahlreichen Stoffen u.a. für Syrreal Entertainment, Goodfriends und Neuesuper.

Wann und wie hast Du Deine Liebe zum Film und insbesondere zur Drehbucharbeit entdeckt?
Ich hatte das Glück, in einem ziemlich kreativen Haushalt groß zu werden, wo Musik, Bücher und Filme immer eine zentrale Rolle gespielt haben. Bis heute teile ich mit meinem Vater die Liebe zu Loriot und den Filmen der Coen-Brüder. Ich glaube, mich haben einfach schon immer gut erzählte Geschichten interessiert. Deswegen habe ich auch relativ früh angefangen, selbst zu schreiben. Im Studium wurde mir oft gesagt, dass meine Texte ziemlich visuell und filmisch geschrieben sind. Irgendwie lag es dann nahe, mal einen Abstecher in Richtung Drehbuch zu wagen.

Wie findest Du Deine Themen?
Also meistens kommt nicht das Thema, sondern erstmal eine Figur zu mir. Das ist ziemlich abgefahren, wenn du plötzlich jemand ganz Konkretes in deinem Kopf hast. So eine Figur trage ich dann gerne mal mehrere Monate mit mir rum, bis ich überhaupt was aufschreibe. Und mit der Figur kommt dann natürlich auch eine Welt, eine Haltung und jede Menge Backstory. Oft bringt dabei ja dann auch die Figur selbst schon ein Thema oder gleich mehrere mit.

Worauf hat Dich die Ausbildung an der Master School Drehbuch gut vorbereitet? Wovon warst Du trotzdem überrascht?
Die Ausbildung hat vor allem einen guten Crashkurs in Sachen Handwerk geliefert und meinen Blick für Dramaturgie geschult. Vor allem die gemeinsame Arbeit an den eigenen Texten und der Umgang mit Kritik ist etwas, was man in der Branche unbedingt braucht. Überrascht hat mich, dass Daily Soap ziemlich viel Spaß macht und wie herausfordernd es sein kann, schnell und knackig eine gute Geschichte zu erzählen. Die zwei Wochen in der Ausbildung zum Thema Daily waren super intensiv und daraus konnte ich viel für meine Zeit im Writers Room von „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ mitnehmen.

Was lässt einen Writers’ Room gelingen?
Das klingt furchtbar, aber: Hierarchien. Flach, aber klar gesetzt. Und ein angstfreier Raum. Ich glaube, die beiden Dinge sind essenziell, wenn man kreativ und effizient was zusammen entwickeln will. Meiner Erfahrung nach braucht es unbedingt jemanden mit einer Vision und dem „Entscheidungshut“ auf. Jemand, der oder die in letzter Instanz sagt: So machen wir es jetzt. Im Sinne der Story. Nicht im Sinne des Egos. Ich persönlich finde es ziemlich angenehm, als Staff Writer zu schreiben. Gemeinsam stellt man sich in den Dienst der Sache. Wenn man keine Angst hat, etwas Unpassendes oder Schräges zu sagen, dann ist das super wertvoll, weil es zeigt, dass man sich vertraut. Die initial abwegigsten Gedanken bieten oft das größte Potential, weil sie wieder neue Ideen entfachen können. Und am Ende hat man dann im besten Fall eine Story, die dank mehrerer Köpfe überhaupt erst ihr volles Potential entfalten konnte.

Hast Du einen ultimativen Tipp für Newcomer zum Einstieg in die Branche?
Wenn du eine Idee für eine Serie hast, schreib das Pilotbuch. Bei einem Film, die ersten zwanzig Seiten. Den Tipp hat mir damals eine befreundete Autorin gegeben und ich bin ihr bis heute dankbar dafür. Den Leuten da draußen einen Eindruck zu vermitteln, wie man schreibt und was einen umtreibt, das hat mir super viele Türen geöffnet. Mit meiner selbst gestalteten Mappe und meinem Pilotbuch habe ich mich damals einfach direkt an eine Produktionsfirma gewandt, die mir als ein geeigneter Partner erschien. Glücklicherweise hat es dem Producer gefallen und so sind viele Steine ins Rollen gekommen.

Wie sähe Dein Traumprojekt aus?
Mein Traumprojekt hängt vor allem auch von Traumumständen ab. Ich wünsche mir innerhalb der Branche mehr Mut für provokante und kantige Stoffe, die auch mal floppen dürfen und außerdem mehr Zutrauen in junge Kreative. Ansonsten würde ich mich gerne mit ein paar befreundeten Autorinnen und Autoren irgendwo im Grünen einschließen und gemeinsam an meiner Serienidee plotten. Die Zusammenarbeit mit Leuten, mit denen man kreativ auf einer Wellenlänge ist, liebe ich besonders an der Drehbucharbeit. Die Energie, die sich im Team freisetzen kann, ist manchmal fast schon magisch.

Womit kämpfst Du als Drehbuchautorin und was macht Dir Freude?
Puh. Also kämpfen tu ich, wie so viele, mit dem Imposter-Syndrom und der Stimme in meinem Kopf, die mich immer wieder daran erinnert, dass die Miete bezahlt werden muss und an mein sicherheitsliebendes Ich appelliert. Das freiberufliche Arbeiten ist Fluch und Segen. Jedenfalls für mich. Die Ungebundenheit, mich morgens im Pyjama oder die ganze Nacht an den Schreibtisch zu setzen, ohne mich dafür rechtfertigen oder abmelden zu müssen, ist absolut großartig. Und mindestens genauso beängstigend.  Der Job ist wie eine andauernde Prüfung, die Balance zwischen Gelassenheit und Anstrengung zu finden. (Beat). An der Nummer mit der Gelassenheit übe ich noch.